Leserbrief zum Artikel
«Immer mehr Aggression auf zwei Rädern»

(Artikel von Reto Cavegn, TCS-Chef, Tages-Anzeiger vom 21. Juni 2003, Seite 15)
 
Automobilclubs lieben es, sich als Wohltäter und Menschenfreunde darzustellen. Der Beitrag von Reto Cavegn zeigt, wie dies gemeint ist: Nachdem der TCS-Chef in aggressionsfördernder und unsachlicher Polemik über die ach so bösen Velofahrer hergezogen ist, ruft er im Schlussatz dazu auf, sich von Polemik und Aggressivität los zu sagen. Plappert er da wohlklingende Fremdwörter nach oder glaubt er, dass sich die Automobilisten wie gewöhnlich nicht mal an die selber aufgestellten Regeln halten müssen?

Wer mit eigenen Augen mitverfolgen will, weshalb Velofahrer Gesetze übertreten und aggressiv werden, begebe sich ans Limmatquai oder an die Scheuchzerstrasse im Kreis 6. Hier ergiesst sich wegen einer Umleitung seit einem Jahr eine gewaltige Automasse in die Quartierstrasse und gestaltet das Leben der Fussgänger und Velofahrer zu einem lebensgefährlichen Spiessrutenlaufen. Und was macht die Stadtpolizei? Statt wie von Anwohnervereinen gefordert wenigstens Tempo 30 durchzusetzen, beglückt sie uns mit einer unausgegoren-peinlichen Anti-Velo-Kampagne. Lacht uns Stadträtin Maurer bald als Fotomodell aus TCS-Prospekten entgegen?

Roger Klein, Einwohnerverein Kreis 6, 23.6.2003
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Offener Brief an die Stadtpolizei
zur «Fairbiker»-Kampagne

Von Margrit Stucki, Mitglied EV6, 23. Juni 2003
 
Ich bin kein “Fairbiker” und will auch keiner werden. Ich möchte bleiben, was ich seit rund 40 Jahren bin - eine Velofahrerin. Diese Spezies scheint Ihnen gänzlich unbekannt zu sein. Hier deshalb ein paar Verhaltensmerkmale:

Velofahrende
– verursachen keinen Lärm, stossen keine Abgase aus und brauchen wenig Platz
– überschreiten keine Tempolimiten
– fahren sehr konzentriert, da nicht durch Autoradio, Handy oder Beifahrer abgelenkt
– töten keine anderen VerkehrsteilnehmerInnen
– töten keine nachtaktiven Tiere
– benutzen und bezahlen häufig den öffentlichen Verkehr
– brauchen zum Parkieren keine zubetonierten Grünflächen oder Gewässer
– verschandeln keine Landschaften
– kaufen keine Vans und Offroad-Jeeps, sobald sie eine Familie gründen

Persönlich verrate ich Ihnen folgendes:
– Ja, ich bin öfters auf Trottoirs ausgewichen, zum Beispiel am Limmatquai
– Ja, ich habe viele Male geflucht, den Stinkefinger gezeigt und gegen Karosserien getreten
– Ja, meine vernarbten Knie verdanke ich Auto Fahrenden, die mich in Tramgleise und
   Randsteine abdrängten bzw ihre Autotüren in ungünstigen Momenten öffneten
– Nein, ich fahre im Dunkeln nicht ohne Licht

Ich verzichte gerne und freiwillig aufs Automobil – und auf Ihre peinlich-arrogante Fairbiker-Kampagne.

Freundliche Grüsse
Margrit Stucki
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Neugestaltung Schaffhauserplatz:
Einst Zankapfel – jetzt Vorzeigestück

 

Lisbeth Stocker, ehemalige Quästorin Einwohnerverein Kreis 6
Eingesandt anfangs Mai 2003 beim «Käferberg»

 
Mit der geplanten festlichen Einweihung des Schaffhauserplatzes wird ausgeblendet, welcher Zankapfel die Neugestaltung des Schaffhauserplatzes einst war. Dies heisst auch, sich jener Personen zu erinnern, die sich besonders dafür engagierten, diesen Platz fürs Quartierleben zurück zu gewinnen.
 
Die ersten Vorstösse aus dem Quartier zur Neugestaltung des Schaffhauserplatzes liegen schon mehr als zwanzig Jahre zurück. Auslöser war die Eröffnung des Milchbucktunnels, der in Unterstrass zu einer Verkehrsreduktion von 30 % führen sollte. Von Seiten der Stadt waren flankierende Massnahmen versprochen, doch zwei Jahre vor der Tunneleröffnung war noch nichts konkret geplant! Der Hinderungsgrund davon ist, dass die Schaffhauser- und Hofwiesenstrasse im Bereich des Schaffhauserplatzes kantonale Strassen sind, die damit zum Entscheidungs- aber nicht zum Handlungsbereich des kantonalen Tiefbauamts gehören.
Der Weg zum Konsens war steinig, grundsätzliche Widerstände - erst von Quartierverein und Stadt, dann vom Kanton -mussten überwunden werden.

Der Geograf Erich Willi wählte die Eröffnung des Milchbucktunnels (geplant für 1985) zum Thema seiner Diplomarbeit. Inhaltlich ging es ihm unter anderem auch darum, wie die durch den Tunnel entstehende Kapazitätserweiterung oberirdisch zurückgebaut werden könnte.
Im Jahr 1983 präsentierte er sein Konzept verschiedenen Quartiervertretern. Der damalige Vorstand vom Quartierverein Unterstrass zeigte sich nicht interessiert. So suchte Erich Willi weiter und gelangte an die SP Kreis 6 sowie an den VCS, Sektion Zürich, wo er auf offene Ohren stiess.

1983 entwickelten die beiden Verkehrsplaner Peter Hotz und Beat Schweingruber in ihrer Freizeit (zusammen mit Erich Willi und Anwohnervertretern) ein politisch realistisches Verkehrskonzept zum Kapazitätsrückbau bei der Eröffnung des Milchbucktunnels im Namen des VCS. Gedacht war dieses als Planungsanregung z.H. der Stadtverwaltung. Das Konzept wurde dem Stadtrat in Form einer Petition überreicht. In nur drei Wochen unterzeichneten 6000 Personen diese Petition - die meisten davon wohnhaft in Zürich-Unterstrass. (Übrigens wurde dieses Konzept bereits 1983 an einer gut besuchten Veranstaltung des Quartiervereins mit überwältigendem Mehr gutgeheissen. Es brauchte dann noch zwei weitere Jahre und neue Köpfe im Vorstand, bis auch der Quartierverein seine negative Meinung änderte und sich eine Neugestaltung des Schaffhauserplatzes vorstellen konnte).

Frans de Baan arbeitete als Anwohnervertreter an der Ausgestaltung der Petition mit und setzte sich in den vergangenen 2O Jahren mit gleich bleibendem Enthusiasmus für deren Umsetzung ein. Er entwickelte sich dabei zum Spezialisten für den Veloverkehr. (Erste verkehrsberuhigende Massnahmen für die Rothstrasse hatte er zusammen mit Martin Fricke bereits 1981 entwickelt und bei der Stadt eingereicht).

Martin Fricke, an der Rothstrasse aufgewachsen und später wieder zugezogen, setzte sich ebenfalls für eine Verkehrsberuhigung an der Rothstrasse in Zusammenhang mit der Eröffnung des Milchbucktunnels ein. In den darauf folgenden Jahren engagierte er sich stark für die Neugestaltung des Schaffhauserplatzes, zuerst ausserhalb und dann innerhalb des Vorstands des Quartiervereins Unterstrass.

Im Anschluss an die VCS-Petition lud Verena de Baan alle Anwohnergruppen in Unterstrass zu sich nach Hause ein mit dem Ziel, die Kräfte im Quartier zu bündeln und ihnen die Gründung eines Einwohnervereins schmackhaft zu machen. Acht lose Gruppierungen, die sich mit Verkehrsberuhigung befassten, nahmen daran teil: Vertreter der Rothstrasse, Rötelstrasse, Milchbuckstrasse, Grebelacker, Sonneggstrasse, Scheuchzerstrasse, Gruppe 6, Hirschwiese.
Im selben Jahr organisierte sie auch die "Kinderwagendemo" am Schaffhauserplatz. Anlass dazu war der "Quartierbesuch Unterstrass" durch den Gesamt-Stadtrat. Die Reaktion darauf war unglaublich schnell, denn kurz danach wurde eine Ampel auf der Höhe der Alterssiedlung Schaffhauserplatz als erste verkehrsberuhigende Massnahme montiert .

Urs Wenger wurde als Vertreter der IG Velo Vorstandsmitglied des Einwohnervereins und Mitglied des Verkehrsforums Kreis 6: Er brachte viele gute Ideen zur Veloverkehrsführung ein.

Erich Suter arbeitete als Anwohnervertreter er bei der VCS-Petition mit und sorgte in den kommenden 20 Jahren äusserst aktiv dafür, dass die Petitions-Anliegen nicht in Vergessenheit gerieten. Er ist das einzige Gründungsmitglied des Einwohnervereins Kreis 6, das noch heute im Vorstand aktiv ist. Übrigens: Schon 1981 begann er sich für eine Verkehrsberuhigung im Wohnschutzgürtel Guggach/Milchbuck/Stüssi/Scheuchzerstrasse und für die Schaffung der Tramhaltestelle Guggach einzusetzen.

Unter der Ägide von Linus Baur als Präsident des QV Unterstrass wandelte sich die Haltung des Vorstandes: Ab 1986 stand dieser einer Neugestaltung des Schaffhauserplatzes zunehmend positiv gegenüber.

Auch Balz Hösli ist als Anwohneraktivist zu erwähnen. Er ist Hauptinitiant des Verkehrsforums Kreis 6. Dem 1986 gegründeten Verkehrsforum gelang es in zähen Auseinandersetzungen, einen verkehrspolitischen Konsens zwischen Einwohnerverein Kreis 6, Quartierverein Unterstrass, Gewerbeverein Kreis 6, den Kreisparteien und den Verkehrsverbänden zu erarbeiten damals ein absolutes Novum in der Stadt Zürich. (Für die Neugestaltung des Schaffhauserplatzes wurde bereits im Herbst 1987 ein erster Konsens erzielt).

Last but not least war Arthur Gassmann als Präsident des Verkehrsforums Kreis 6 und Vize-Präsident des Quartiervereins Unterstrass hinter den Kulissen massgeblich dafür verantwortlich, dass die Konsensbildung im Quartier zustande kam.

Die Neugestaltung des Schaffhauserplatzes wäre nicht möglich geworden ohne den Good-Will des Stadtrates (damals zeichnete Ruedi Aeschbacher verantwortlich für das Bauamt I) und dem aktiven Engagement der Beamten im Tiefbauamt. Der Kreisingenieur Peter Stocker war von Beginn an mit den Wünschen und Plänen der Bewohnerinnen konfrontiert. Er nahm dies als Chance wahr und entwickelte sich zum idealen Vermittler zwischen Verwaltung und Bewohneranliegen.

Schliesslich vermittelte Frau Stadträtin Kathrin Matrelli als Nachfolgerin von Ruedi Aeschbacher zwischen Kanton und Stadt.
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